Nach allem was ich schon so erlebt und gemacht habe, war ich trotzdem wieder nervös und aufgeregt und hatte das übliche „Will ich vielleicht doch lieber in meiner Komfortzone bleiben“ im Kopf, als ich mich am 28. Mai auf den Weg von Jack Richtung Südengland gemacht habe, zur Osho Leela Community.
Geplant war eine gut dreistündige Zugreise, daraus wurde dann aber ein überaus stressiger Nachmittag – allerdings zu einem guten Teil durch mein Zutun, haha. Zuerst hab ich es wirklich genossen im Zug zu sitzen und die englische Landschaft draußen vorbeiziehen zu sehen. Das Problem waren dann meine Kopfhörer, die verhindert haben, dass ich eine Durchsage höre, die uns mitgeteilt hat, dass unser Zug sich teilt und in verschiedene Richtungen weiterfährt. Kurz nach dem nächsten Halt fiel mir dann schon die Anzeige auf und schnell war klar, dass ich also in die falsche Richtung unterwegs war. Zugpläne gecheckt und ja – ich muss bei der nächsten raus und wieder zurück. Meine Verspätung habe ich dann in der Community bekannt gegeben und musste dann noch ein neues Ticket kaufen – das andere war zuggebunden. Als ich dann also wieder am Ausgangspunkt des Übels war und auf den nächsten Zug in die richtige Richtung gewartet hab, ging dann erstmal nichts mehr. Zug verspätet, Zug ausgefallen, Verspätung unbekannt – somit alle nachfolgenden Züge hinfällig. Die „Schönheit“ des britischen Zugsystems ist nämlich, dass es beinahe unzählige viele verschiedene Eisenbahngesellschaften gibt, die verschiedene Regionen betreuen. Das bedeutet, die Tickets kosten überall unterschiedlich viel, ständiges Umsteigen und das gleichzeitige Checken von drei verschiedenen Apps am Handy um Fahrpläne und Verspätungen mitzubekommen. Zu guter letzt war ich dann drei Stunden später als geplant endlich in Thorgrove House und ich konnte sehen, dass man nicht erfreut darüber war…
Aber noch besser, ich hatte nämlich ein Videotelefonat – ein Vorstellungsgespräch – anstehen, weshalb ich auch gleich noch darum bitten musste, meine Willkommensrunde etwas später zu machen. Internet war mies und dementsprechend stressig fiel der Termin aus. Bisher hab ich noch keine Rückmeldung, rechne aber jetzt nicht unbedingt mit positivem Feedback, haha.
Schließlich hat mir Khalis, einer der Bewohner von Osho Leela dann erstmal alles gezeigt und einiges erklärt. Ich war ziemlich beeindruckt von der Organisation des Hauses, in dem alles offensichtlich wie geschmiert lief – vom Essen über die Arbeitsaufteilung bis zum täglichen Ablauf. Ein echt krasser Gegensatz zu Koh Phangan hehe. Ich habe dann auch gleich die Abendmeditation mitgemacht, die ich sehr sehr schön fand und beim Abendessen Clair, eine Britin kennen gelernt, die erst am Vortag angereist war. In ihrer Begleitung war auch noch Grainne, eine Irin und das war dann auch von Tag 1 an meine „Gang“.
Viele Fotos habe ich tatsächlich nicht, denn ich war sehr sehr beschäftigt. Der Tagesablauf in Osho Leela beginnt früh, um 6:50 Uhr beginnt die Morgenmeditation, um 8 gibts Frühstück, um 9 Morgenmeeting mit ein bisschen tanzen und Ankündigungen, danach gehts an die Arbeit. Unterbrochen von der obligatorischen Teepause um 11 wird bis 12:30 gearbeitet, dann ist Mittagessen und Pause bis 15 Uhr angesagt. Oft hab ich mich in dieser Zeit in mein Zimmer verkrochen, um mal für mich zu sein und ein wenig zu verarbeiten – sonst war einfach immer so viel los, haha. Um 17:30 nochmal Teepause zwischen der Nachmittagsarbeit und dann Abendmeditation, Abendessen und meist noch Abendprogramm. Zusätzlich gibts noch Abwaschdienst, 2 – 3 mal die Woche. Als Volunteer verpflichtet man sich, an mindestens einer Meditation pro Tag teilzunehmen, ich habe aber versucht, möglichst beide zu machen, um viel mitzunehmen.
Die Arbeitsdienste werden täglich neu eingeteilt, Anfänger starten oft im Hauskeeping – so auch ich. Außerdem war ich auch noch einmal im Küchendienst und im Garten. Oft war ich zusammen mit meinen Freunden im Dienst, was den Spaß enorm vergrössert hat.
An meinem ersten echten Tag in Osho Leela, einem Mittwoch, hab ich dann auch gleich einen Community Tag miterlebt. Der Mittwoch verläuft nämlich ein bisschen anders als die anderen Tage. Die Morgenmeditation dauert 1,5 Stunden und ist eine AUM – eine von Osho entwickelte aktive Meditation, bei der verschiedene Gefühlslagen durch- und ausgelebt werden und das sehr intensiv. Den Neulingen wurde am Vorabend der Ablauf erklärt und auch, welche Vorbehalte einige Menschen haben. Niemand wird zur Teilnahme gedrängt und wir haben einen „1st Timer“ Anhänger bekommen, der gewisse einschränkende Regeln begründet hat. Ich war ja 2019 mal auf einem Osho Meditationsfestival in Deutschland. Damals gabs auch eine AUM, ich hab mich aber nicht drüber getraut. Somit war mir dieses mal klar, es ist Zeit – sonst hätte sich die Gelegenheit nicht wieder geboten.
Mit ordentlich Nervosität, Müdigkeit und Aufregung war ich also dabei und es war toll. Es war herausfordernd, anstrengend, intensiv und erleichternd und danach war ich ganz weich, leicht und zufrieden. Es war sehr sehr gut, diese Hemmschwelle überschritten zu haben – wie so oft.
Nach der AUM gibts dann immer ein großes Frühstück! Baked beans, Rührei, Tomaten und Pilze – also ein echtes englisches Frühstück. Im Anschluss dann ein sharing, aufgeteilt in Gruppen. Wir Volunteers saßen also zusammen und jeder hat geteilt, wie es ihm gerade geht hier in Osho Leela. Ich hab mich dabei richtig gut gefühlt, solche Dinge haben mir gefehlt in letzter Zeit und ich fühl mich darin Zuhause. Gearbeitet wird am Mittwoch etwas weniger als sonst, aber kaputt ist man dank der AUM ja trotzdem, haha.
Tatsächlich war Erschöpfung, vor allem körperlich, eine der größten Herausforderungen für mich. Meine Füße taten weh vom den ganzen Tag drauf stehen und gehen. Ich hatte Muskelkater vom vielen treppauf und treppab beim Arbeiten. Und das frühe aufstehen… Mit wem auch immer ich gesprochen habe, es ging jedenfalls allen gleich. Khalis meinte, dass wir nicht vergessen dürften, dass wir durch das viele Meditieren auch mental erschöpft sind, denn wir denken dadurch nicht so viel nach, was ungewohnt ist. Nicht zu vergessen den ganzen Tag Menschengewusel und tiefgehende Gespräche. Khalis hat auch etwas gesagt, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Alles kann Meditation sein.
Nicht immer macht die Arbeit, die getan werden muss, Spaß. Auch ich hab manchmal geschnauft bei der Aussicht, einen ganzen Tag lang Toiletten zu schrubben. Und doch muss es eben erledigt werden und das fühlt sich umso langwieriger an, je eher wir uns dem inneren jammern und hadern hingeben. Stattdessen können wir es als Übung sehen, etwas eintöniges, wenig forderndes zu tun – und es mit der inneren Haltung einer Meditation erledigen. Das versuche ich mir mitzunehmen.
Am ersten Wochenende nach meiner Ankunft habe ich an einem Seminar teilgenommen, nur für Frauen mit dem Thema Dankbarkeit und Embodiment. Es hat mich tief berührt, wie sich alle gezeigt haben mit ihren hellen und dunklen Seiten, mit ihren Problemen und Themen und ihrer Schönheit. Wir haben geredet, geübt, gefühlt, gebastelt, getanzt, geweint und gelacht zusammen. Und wie eigentlich immer war es ein Gefühlt wie nach Hause kommen…
Ein weiteres Highlight war der Abend, an dem ich mit Grainne und Damien (der auch aus Irland kommt) irische Lieder gesungen habe und wir so eine schöne Zeit zusammen hatten.
Ohne Auto war ich übrigens relativ angeschnitten vom Rest der Welt dort. Ein kleiner Shop war in 10 min Gehentfernung, der war für alle die ständige Snack und Schoki-Quelle. Irgendwann musste ich dann aber doch mal in den Ort, was eine kleine Wanderung erfordert hat. Aber das Wetter war schön und ich hab mir ein Eis gegönnt. Wie sehr solche Dinge zu Besonderheiten werden, wenn man sie mal eine kleine Weile nicht hat… Genauso war es mit dem Nachmittag vor meiner Abreise, als ich mit Grainne und Damien im Café nebenan war und dort einen echten afternoon tea mit Scones und allem hatte.
Am Abend vor meiner Abreise hatte ich das große Glück noch bei der Geburtstagsfeier von Bhavo (einem der Gründer von Osho Leela) dabei sein zu können. Es gab ein Open mic, bei dem insgesamt 10 Beiträge von Bewohnern, Volunteers und Freunden vorgetragen wurden. Stand up Comedy, Gesang, Parodien und Tanz haben uns alle wunderbar unterhalten. Vorher gab es noch ein Luxus-Abendessen mit italienischen Vorspeisen, Pasta und Cheesecake. Einige Tage zuvor hatte Bhavo als Abendprogramm Geschichten aus seinem bewegten Leben erzählt – wie er damals auf dem Landweg im Bus nach Indien gereist isst, über seine Zeit mit Osho bis zu seiner Verfolgung durch das FBI in den USA (von vorne bis hinten waren viele Substanzen im Spiel, haha) und seinem Leben in Europa und der Gründung von Osho Leela. Keine einzige Minute in Thorgrove House habe ich mich gelangweilt, so viel ist sicher! Ich habe wieder Freunde gefunden und hoffe, dass mich Grainne bald in Österreich besucht, ihr Humor ist einfach unschlagbar, hehe. Ich habe mich innerlich so friedlich und ruhig gefühlt wie selten – ein kleiner lebender Beweis, dass Meditation funktioniert. Ich habe mich ausprobiert und ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass dieser Ort schön, sauber und gemütlich ist. Wenn ich eines mitnehme, dann ist es das Gefühl, wieder einen Ort gefunden zu haben, an den ich jederzeit zurückkehren kann und der mich auffangen wird, egal wie es mir gerade geht. Wieder habe ich vieles gelernt und so bin ich nach 9 Tagen mit einem lachenden und einem weinenden Auge wieder in den Zug gestiegen, um zu Jack zu fahren. Kleiner Spoiler: Die Zugfahrt war ähnlich „erfolgreich“ wie die davor…
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