Mein Leben ist eine ziemliche Achterbahn gerade. Es ist schön und aufregend und intensiv und furchtbar traurig, tragisch und anstrengend. Seit gut zwei Wochen ist Jack hier und alles zwischen uns ist anders und nie hätte ich gedacht, dass es mal so wird.
Ich war ziemlich nervös und auch voller Vorfreude wegen seines Besuchs, von dem gar nicht klar war, wie lang er dauern würde. Bei unserer letzten gemeinsamen Zeit in Thailand gab es ja durchaus Themen, mit denen ich nicht so glücklich war, immer noch oder wieder hatte sich vieles recht distanziert angefühlt. Auch Gespräche über „schwierige“ Themen waren ja schon immer ein mehr oder weniger großes Problem. Wir waren weiterhin nicht in einer Beziehung und es gab keinerlei Gespräche über die Zeit nach seinem Besuch bei mir. Für mich war von Vornherein klar, dass es also einiges zu klären gibt, während er hier ist. Manches habe ich dann auch gleich am ersten Abend angesprochen und dann sind wundersame Dinge passiert. Ohne dass ich gefragt habe, hat Jack mir plötzlich all die persönlichen Dinge erzählt, die vorher immer nur angedeutet wurden. Aus seiner Vergangenheit, seine Ängste und Zweifel und alle möglichen Gefühle. Jeden Tag sind diese Gespräche einfach so „passiert“ und wurden immer einfacher. Wir waren beide so verknallt wie beim allerersten Treffen und die Dynamik war wieder völlig anders als bisher.
Hier ist schließlich mein Zuhause. Es wird meine Muttersprache gesprochen, ich kenne mich aus, weiß Bescheid usw. Er hingegen ist wieder einmal in einem unbekannten Land mit fremder Sprache und Umgebung. Es hat einige Tage gedauert, bis sich das Ungleichgewicht wieder eingependelt hatte. Wir waren uns einig, dass wir eine Beziehung möchten und haben zusammen ein paar Grenzen festgelegt. Weiterhin haben wir sehr persönliche Gespräche geführt und Jack hat sich nach diesen endlich nicht mehr ausgelaugt, sondern gut gefühlt. Plötzlich waren auch Gespräche über die Zukunft eine Selbstverständlichkeit und wir haben zusammen Pläne geschmiedet. Gefühle wurden ausgesprochen und gezeigt und alles, was mir so lange gefehlt hat, ist einfach so geschehen und in unsere Verbindung gekommen. Ich war und bin immer noch völlig geflashed davon. Es hat wohl tatsächlich Zeit gebraucht und das war für mich nicht einfach. Noch nie zuvor habe ich jemanden so lange kennen gelernt, ohne eine offizielle Beziehung zu haben und all das. Aber es war letztlich gut so! Wir kennen uns jetzt in verschiedensten Situationen, an verschiedensten Orten mit verschiedensten Herausforderungen (und es kommen natürlich laufend neue dazu…). Wir haben diese verfickten 3 Monate getrennt voneinander überstanden und haben beide an uns gearbeitet. Ich an meinen Ängsten, er an seiner emotionalen Verschlossenheit – die beide ziemliche Belastungen waren. Jetzt erleben wir die Belohnung dafür: eine unglaubliche Nähe und Verbundenheit, Vertrauen, Verständnis und Liebe. Ja, auch das L-Wort fiel kürzlich erstmalig😉
Selbstverständlich gehen wir uns auch auf die Nerven und haben Konflikte, aber so gut wie immer gelingt es uns, die auf eine sehr erwachsene, achtsame und konstruktive Weise zu lösen. Wir beide tendieren immer mal dazu, uns selbst ein bisschen hinten an zu stellen und den anderen davor – das versuchen wir nicht einreißen zu lassen. Ich habe immer noch meinen Helferkomplex und möchte retten und bin dann überfordert – das bedeutet weiterhin Arbeit an mir. Und dann sind da Kleinigkeiten, die auf Dauer und bei 24/7 nerven und bei denen wir langsam lernen, wie wir damit am besten umgehen können. Ich neige bei Konflikten dazu, Mauern um mich aufzustellen, aus Angst, die Beziehung würde gleich in die Brüche gehen – was überhaupt nicht gut ist. Wir beide haben Unsicherheiten, schließlich ist alles noch recht neu und wir haben beide ausreichend negative Beziehungserfahrungen aus der Vergangenheit. Mal ist es tagelang super harmonisch, wir führen die tollsten Gespräche und geben uns ein high five für unsere erwachsene und gesunde Art, diese Beziehung zu führen. Mal knirscht und kracht es im Beziehungsgefüge und wir sitzen ratlos voreinander, weil wir keine Lösung finden – weil wir eben immer noch am lernen sind. Wie schon zuvor ist unsere gemeinsame Zeit intensiv. Wir haben mein Auto repariert, einen Cabrio-Roadtrip mit Zelt nach Italien gemacht, waren schwimmen, essen und im Kino, haben was mit meiner Familie gemacht und versucht, meinen Kater Herr Lehmann mit Jack zu befreunden (bisher nicht sonderlich erfolgreich, haha). Wir haben Sternschnuppen geschaut, zusammen gelacht und geweint, Wien besichtigt und Luftschlösser gebaut.
Jack bleibt so lang es irgendwie geht hier, bis nächsten Dienstag, also ganze drei Wochen. Wir wissen beide, dass dann wieder eine zache Zeit auf uns wartet, aber wir sind uns einig darüber, was wir wollen und wie wir das hinkriegen. Beide sind wir voller Wertschätzung für das Besondere, das wir da haben. Beide haben wir sowas noch nie in der Form erlebt. Ich bin ehrlich: Meine Hoffnung, einen Partner zu finden, mit dem ich dieselben Träume (also viele) teile und eine so achtsame, bewusste Beziehung führen kann, war nicht besonders hoch. Und dass die aus einem nächtlichen Kuchen-Date am FKK-Strand von Koh Phangan mit einem um einiges jüngeren Engländer entsteht – also das war wirklich nicht absehbar! 😃
Auch wenn sich mein Leben gerade sehr sehr sehr um Jack dreht, gibt es noch anderes wunderbares: Mein letzter Tantra Abend war so so so schön, dass ich jetzt einiges mehr in diese Richtung plane. Es erfüllt mich sehr und macht mir super viel Freude. Das weiterzugeben, was ich erfahren habe und was mir immer so gutgetan hat, das ist einfach Wahnsinn.
Und zwischendurch teilt das Leben leider eben auch Watschen aus und das gerade recht reichlich. Jack hat erst kürzlich als er noch unterwegs war, einen ihm sehr nahestehenden Menschen verloren und nun ganz plötzlich noch ein Familienmitglied. Ich bin unheimlich gern für ihn da, merke aber auch, wie das auf Dauer Energie kostet. Und auch in meinem Freundeskreis hat sich ein völlig unerwarteter Todesfall ereignet, der mich erschüttert und die Mutter einer lieben Freundin ist ebenfalls viel zu früh gegangen. Das alles in einem Zeitraum von zwei Wochen…
Fast schon banal erscheint die Tatsache, dass mein Auto immer noch kein Pickerl hat – aber es bedeutet weiterhin Kosten und Nerven und Aufwand. Und wir sind füreinander da. Jack repariert mit mir mein Auto, ich halte ihn im Arm und koche ihm Tee. Wir reden und schweigen und einer von uns behält üblicherweise die Nerven, wenn der andere gerade nicht mehr kann. Es wechseln sich Phasen mit großer Trauer und Schmerz ab mit Freude und Spaß und verliebt sein. Das ist schön und anstrengend und intensiv und manchmal ganz schön viel – für uns beide. Und nicht zu vergessen natürlich, dass da auch noch andere Menschen für mich da sind. Meine Mama, die uns ihr Cabrio für den Italien-Roadtrip geliehen hat, Eva die mir ihre Luxus-Campingmatte leiht und Teresa, die voller Verständnis dafür ist, dass wir unser lang ersehntes Treffen nun noch einmal verschieben. Sowie Schwesterchen und ihr Mann, die Kuchen gebracht haben beim Kennenlernen und wie immer so offen und freundlich waren, dass ich ohne Ende dankbar dafür bin, so eine tolle Familie zu haben, die jeden mit offenen Armen empfangen.
Jack mag Österreich übrigens sehr sehr gern. Der Attersee und die Berge begeistern ihn und auch kulinarisch ist er recht angetan. Neben Schnitzel findet er Käseleberkäse am besten (nicht nur wegen des lustigen Namens) 😃
Und nebenbei war neulich auch noch der Jahrestag meiner Reise. Ich weiß noch, wie ich losgezogen bin, aufgeregt, unsicher, voller Neugier und Vorfreude. Ich als Mensch hab mich dadurch nicht, oder nur ganz wenig verändert, denke ich. Meine Werte und Prioritäten, mein Leben aber dafür sehr. Ich tapse zaghaft in Richtung Berufung, habe mich selbst viel besser kennen gelernt, Freunde auf der halben Welt dazu gewonnen und nun auch noch einen Partner, mit dem ich zusammen aufregende Pläne für 2024 schmiede. Ganz zu schweigen von all den Erinnerungen für die Ewigkeit. Eieiei, wer hätte das gedacht…
Achja. Recht holprig hat sich ja der Start in unseren Italien roadtrip gestaltet. Am ersten Abend wollten wir noch im nächsten Ort was einkaufen und Abendessen. Jack hat dann leider einen randstein übersehen und einen Vorderreifen geschrottet. Ersatzreifen war vorhanden aber Radkreuz passte nicht. Freitag Abend um halb acht 🙈 Auf gut Glück bin ich los gelaufen und hab tatsächlich zwei Automechaniker beim Werkstatt zusperren erwischt, die uns liebenswürdigerweise den Reifen gewechselt haben. Glücklich zum Supermarkt um beim rauskommen festzustellen: das Ersatzrad ist platt. Also Abendessen und dann versuchen, ein Taxi zurück zum Campingplatz zu bekommen. Schließlich hat uns jemand vom Restaurant gefahren 😅
Am nächsten Morgen dann per Bus wieder zum Auto, zur Werkstatt für Luft und dann zum Reifenhändler, der in kürzester Zeit das Problem behoben hatte. Hat Zeit und Geld und nerven gekostet, aber wir waren wieder mal ein gutes Team 😄
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