Enchanting ist das englische Wort für zauberhaft, magisch und disenchanting bedeutet somit das Gegenteil – entzaubernd, desillusionierend. Und so fühl ich mich immer mehr, je länger ich hier bin. Beruhigend ist, dass es auch anderen so geht.
Eine meiner liebsten Koh Phangan Mädels hat auch von einer verdammt harten Landung in Deutschland erzählt und dem Gefühl des desillusioniert seins. Sie hat auf „unserer“ Hotel Terrasse damals ein Wochenende mit ihren Schwestern geplant, voller Liebe und Glücksseligkeit und Sehnsucht nach Familie. Alle Zwistigkeiten schienen ihr lösbar. Nun hat das Wochenende stattgefunden und es war nicht so wie gedacht… Ich erinnere mich an das Email, das ich Jack geschrieben hab, als sich unsere Wege in Indien getrennt haben. Es war voller Euphorie, Zuversicht, Liebe und Glück, ich war absolut sicher, dass wir diese Zeit getrennt easy überstehen würden und alles alles lösbar wäre. Nun ist es alles andere als das. Es ist anstrengend, es ist konstanter Verzicht, es ist Stress und es ist vor allem unsicher.
Ich erinnere mich daran, wie ich am Strand von Koh Phangan gestanden und gefühlt hab, dass mir die ganze Welt gehört. Ich hab gefühlt, dass ich einfach alles kann, jedes Glück der Welt auf mich wartet und dass ich unweigerlich nun ein fantastisches Leben haben werde. Ich hab felsenfest geglaubt, dass ich in mein Leben in Österreich zurückkehre und es einfach mit jeder Menge Koh Phangan Magie anreichere, bis es ebenso zauberhaft ist. Aber so ist es nicht gelaufen und ich glaube, das wird es auch in Zukunft nicht.
Denke ich darüber nach, was ich gerne tun würde, das mich erfüllt, werde ich sofort mit der Nase darauf gestoßen, dass ich keine Ausbildungen, Zertifikate und Abschlüsse habe, ohne die hier nichts läuft. Und selbige zu absolvieren, würde mich vor allem erstmal jede Menge Geld kosten. Achso ja, und ich müsste wissen, was genau ich will und mich entscheiden – denn alles geht ja nicht.
Am Montag hat mich eine Freundin gefragt, warum gerade ich daran zweifle, etwas zu finden, das mich wirklich erfüllt und von dem ich leben kann. Wahrscheinlich genau deshalb. Aber gut, Österreich ist ja nicht die Welt und anderswo läufts anders. (Falls sich jemand fragt, warum ich schon wieder daran denke, loszuziehen…)
Auch mit den Menschen hier hab ich so meine troubles. Ein lauer Sommerabend und wir sitzen zusammen, gesund und zufrieden und können uns im Gastgarten eines Wirtshauses einfach alles leisten, was wir gern essen wollen. Und es wird sich beschwert. Über den zu kühlen Wind, fleckige Servietten, zu viel Ketchup im Beef Tartare, unfreundliche Kassiererinnen im Discounter, den zu lauten Zug im Hintergrund und was weiß ich. Es sind nur leise Beschwerden und als ich es anspreche, heißt es „Nein, wir beschweren uns doch nicht.“. Doch. Die ganze fucking Zeit. Als ich ausspreche, dass ich riesigen Hunger habe und merke, dass ich schon grantig werde, wird mir sofort gesagt, dass ich mich zusammenreißen müsse, damit die anderen das auch nicht merken würden. Jo, bloß keine Gefühle, das könnte unangenehm werden.
Letzte Woche musste mein Auto zum Pickerl (TÜV). Meine Mama war für mich dort, weil ich in der Arbeit war. Aussage der Werkstatt: Eine Reparatur kostet um die 2500 EUR, in dem Zustand ist das Auto vielleicht 300 EUR wert. Auf der Mängelliste unter anderem beanstandet: 4 weiße Blinkerbirnen (die müssen gelb sein). Ich könnte kotzen. Ich hab letztes Jahr das gleiche Auto in schlechterem Zustand und mit 100.000 km mehr um 900 EUR verkauft – innerhalb von 2 Stunden. Ich hab erst neulich eine der Blinkerbirnen getauscht und in der Hand gehalten – sie sind gelb. Alle vier.
Und weil ich glücklicherweise nicht darauf angewiesen bin, solchen Bullshit zu glauben, hab ich mir über Facebook jemanden gesucht, der die Schweißarbeiten erledigen kann. Gestern war ich dort und hab jetzt einen Kostenvoranschlag. 700 EUR – inklusive neuem Pickerl. Ja, ich kann das und ja, ich bin stolz auf mich und ja, ich bin dankbar dafür, dass mir geholfen wird. Aber es ist unfassbar anstrengend und es ist – wieder mal – disenchanting. Wenn ich höre, wie in einem Termin in der Arbeit Kolleginnen hinterrücks über andere lästern und sagen, wie froh sie sind, dass Frau X im Urlaub ist, dann will ich am liebsten davonlaufen. Ich will mich nicht mit sowas abfinden. Ich will nicht.
Damit ich aber nicht auch in reines Beschweren verfalle, möchte ich auch sagen, wofür ich sehr dankbar bin. Meine Mama zum Beispiel. Sie umarmt mich, sie hört mir zu, sie bringt mich zum Zug und holt mich ab und sie wäscht meine Wäsche. Ohne sie wärs ganz schön zach. Meine Freunde, auch wenn sie allesamt viel zu weit weg sind immer. Aber sie sind so herrlich verschieden und liefern mir soooo viele unterschiedliche Sichtweisen und inspirieren mich auf so viele Arten. Außerdem ist immer jemand da – auch wenn die eine mal keine Zeit oder Lust hat, gibt’s mindestens eine andere. Oder das vergangene Wochenende, an dem ich zwei verschiedene Festivals besucht habe, neue Bands entdeckt und stundenlang getanzt habe. Ich hab mich ausgetobt, lauthals gesungen, bin Riesenrad gefahren, hab wunderschöne Gespräche geführt und herrlich geschlafen und das Wetter war auch die allermeiste Zeit sehr okay. Und die Menschen waren lieb, haben nach mir gesehen, wenn ich mal ein Nickerchen gemacht hab, jemand hat mir im staubigen Moshpit von seinem Wasser abgegeben und ein mir völlig fremder junger Mann hat mich umarmt und mir gesagt, dass es schön ist, dass ich da bin (sarkasmusfrei 😉).
Letzte Woche hatte ich wieder mal einen schwarzen Tag und es ging mir schlecht. Wie so oft quasi aus dem nichts und da war so viel Wut und Ärger und Zweifel und Einsamkeit und ich wusste nicht, wohin damit. Überraschend hab ich dann eine Jin Shin Jyutsu Behandlung bekommen (auch „Strömen“ genannt). Und kaum hab ich die Hände auf meinem Körper gespürt und die Tatsache, dass sich jetzt gerade jemand um mich kümmert, liefen auch schon die Tränen. Statt der Wut und dem Ärger war da unendliche Traurigkeit, aber alles wurde endlich weich. Dann habe ich meine Gefühle auch noch Jack mitgeteilt und um ein bisschen emotionalen support gebeten, der war nämlich an dem Abend erst nicht erreichbar. Und tatsächlich hat er sich wenig später gemeldet, mir zugehört und mich aufgemuntert.
Auch sonst hab ich Fortschritte gemacht. Als ich mich letzte Woche nicht wertgeschätzt gefühlt hab und außerdem leicht verunsichert, hab ich genau das genau so mitgeteilt. Ohne Vorwürfe, in Kürze und konkret. Und es kam eine so schöne und liebe Reaktion.
Und am Freitag flieg ich also nach Thailand. Nach fast drei Monaten sehe ich Jack wieder. Ich freu mich und ich bin nervös. Denke viel nach (zu viel?), versuche mir darüber klar zu werden, was ich will und was nicht. Ich weiß, dass ich Klarheit möchte, ob und wie es weitergehen könnte. Aber klar, ich will auch einen schönen Urlaub und eine gute Zeit haben. Meh. Es lief ja in letzter Zeit nicht sooo schlecht, aber das lag definitiv auch zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass ich vieles zurückgehalten habe, viele Gespräche nicht geführt wurden und das behagt mir nicht so. Ein Satz, den mir Jack mal geschrieben hat, beschreibt es ganz gut: The situation leaves a lot to be desired.
Meine ganze geile Leichtigkeit geht mir hier hops in diesem Leben und da hab ich keine Lust drauf. Aber gut, ich bin ja auch nicht hilflos allem ausgeliefert. Jetzt erstmal Urlaub. Und dann ein paar Ideen.
Aso aja. Seid so lieb und schickt mir jede Menge innere Stärke. Damit ich für mich einstehe, offen und ehrlich bin, mich traue etwas zu verlangen und gleichzeitig reflektiert, liebevoll und nicht aus der Emotion heraus handle.
PS: meine kleine Schwester hat geheiratet!!! Ich muss noch davon erzählen – mehr davon bald 😁
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