Ka-ta-stro-phe

Wie Marenka das so schön sagen würde… Ach das fehlt mir und auch ihre pragmatisch-resolut-verständnisvolle Herangehensweise an Drama. Genauso fehlt mir Christin, mit der ich so gern ein paar Tränen gemeinsam weinen würde und mich verstanden fühlen. Viele von den Koh-Phangan-Mädels fehlen mir gerade sehr, vor allem die physische Anwesenheit, die mich in den Arm nehmen würde…

Zuerst: Mein neuer Job ist glücklicherweise keine Katastrophe. Im Gegenteil, er gibt mir gerade an schlimmen Tagen Halt und Struktur und eine Aufgabe (auch wenn ich zur Zeit noch nicht so nützlich bin, sondern vor allem lerne). Meine Kollegen sind nett – wenn auch sehr ruhig -, mein Chef ebenso und ich freu mich auf die neuen Aufgaben.
Ich genieße die wiedergewonnenen Kuscheleinheiten mit meinem Kater sehr und er offenbar auch, denn er weicht mir kaum von der Seite. Ich freue mich darauf, am Wochenende mit meiner Besten in mein Lieblingslokal frühstücken zu gehen und wenn das Wetter endlich mal besser wird, freu ich mich aufs Motorrad fahren.
Der wilde, unaushaltbare Schmerz in meiner Brust ist leiser geworden und oft ist der physische Schmerz tatsächlich abwesend.
Gestern war ich endlich wieder mal im Programmkino Wels und hab mir „Feminism WTF“ angesehen und es war so gut!!

Und trotzdem… ich weine mindestens 1-2 mal jeden Tag und es geht auch nicht anders. Lese oder höre ich nichts von Jack, gehts mir schlecht. Telefoniere ich mit ihm oder lese ich liebe Worte, gehts mir besser. Ich möchte am liebsten alles was ich erlebe mit ihm teilen und alles was er erlebt wissen. Ich hatte letzte Nacht Alpträume, die mich dann stundenlang nicht schlafen ließen und meine Angst erzählt mir wieder ständig Geschichten von nicht erwiderten Gefühlen, abnehmender Zuneigung und langsamem Vergessen.
Das ist die Ka-at-stro-phe – oder jedenfalls denke ich das manchmal. Ich bin erzogen worden mit dem hehren Ziel, immer unabhängig zu sein. Und auch die Psychologen- und Spirituellen-Szene predigt ja unentwegt, dass unser Glück keinesfalls von einem anderen Menschen abhängig sein darf. Wir müssen selbst für unser Glück sorgen, andere sind nur die Kirsche auf der Sahnehaube unseres Lebens. Von anderen abhängig zu sein macht uns schwach, klein und ist ein Zeichen von Versagen. Und jaaaa, ein Teil von mir glaubt das auch. Beziehungsweise kann ich fühlen, dass das nicht gut ist, wie es gerade ist. Ich warte sehnsüchtig auf Whatsapp und Anrufe, bin traurig und unsicher während ich warte, gestresst wegen der Zeitverschiebung und enttäuscht wenn nicht kommt, was ich mir wünsche. So vieles anderes rückt in den Hintergrund dadurch… Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste daran ist, dass es für ein völliges Ungleichgewicht sorgt. Denn während Whatsapp und Anrufe von Jack für mich die absoluten Highlights meines kleinen, dummen Lebens sind und mein Glück gefühlt davon abhängt, lebt er ständige Abenteuer, ist den ganzen Tag beschäftigt und abgelenkt sowie in Gesellschaft von Freunden und fällt abends müde und glücklich ins Bett. Ich glaube ihm durchaus, dass er mich auch vermisst – aber allein der Raum dafür in unser beider Leben ist so verschieden groß.
Ein Teil von mir würde ihm das gern erzählen, aber ich bin achtsam und vorsichtig damit. Denn ich spüre sehr wohl, welchen Druck das ausübt auf ihn. Schon jetzt bemüht er sich ehrlich, zu tun, was mir hilft, mich besser zu fühlen – weil er weiß, dass mich das glücklicher macht. Wie würde sich das wohl anfühlen, wenn ich ihm explizit sage, dass mein glücklich sein zur Zeit zu großen Teilen davon abhängt, was er tut? Da stellts mir schon die Gänsehaut auf… So sehr das im Moment also eine Tatsache für mich ist, so wenig möchte ich ihm das aufbürden.

Immer wieder denke ich mir, es müsste mir doch besser gehen. Mein Leben ist gut! Sehr gut! Ich bin unfassbar privilegiert. Ich habe den Kopf voller unglaublicher Erinnerungen und habe mir einen Lebenstraum erfüllt. Ich bin allein durch Asien gereist – ohne Angst – und hab alles gemeistert. Ich könnte stolz sein auf mich und glücklich und leicht wehmütig auf die letzten Monate zurück schauen. Da ist dieser Mann, dem es wichtig ist, wie es mir geht und der sich darum bemüht, etwas für mich zu tun. Der mir jeden Tag schreibt, dass er mich vermisst und alle paar Tage mit mir telefoniert – obwohl seine Tage vollgepackt sind.
Warum kann das nicht genug sein? Warum kann ich nicht wenigstens okay sein damit?
Ich fühle mich undankbar, als würde ich, was ich da an Schätzen habe, gar nicht richtig annehmen und wertschätzen.
Ich fühle mich lächerlich, weil ich mehr Angst davor habe, dass dieser Mann keine Gefühle mehr für mich hat, als zu jedem Zeitpunkt meiner Reise am anderen Ende der Welt.
Ich fühle mich schwach, weil ich so abhängig und bedürftig bin und so unfähig, das aktiv zu ändern.
Ich schäme mich, weil ich das Gefühl habe, zu versagen – als Partnerin, als Heimkehrerin, als Mensch.
Ich bin ratlos, weil ich nicht weiß wie ich sein kann wie ich sein will – zufrieden und sicher und dankbar für das was da ist ohne zu ziehen und zu drängen und zu wollen.
Ich fühle mich unnütz, weil nun nicht mehr ich diejenige bin, die Jack jeden Tag so glücklich macht – jedenfalls nicht mehr so sehr.
Selbstverständlich fühle ich mich auch als Bürde, als Belastung anstatt als Bereicherung weil ich so viel brauche und will anstatt zu geben und los zu lassen.

Ich kann aber tatsächlich einfach nicht anders. Diese Gefühle sind da und sie sind oft verdammt stark. Ich bin schon stolz, wenn ich nicht aus ihnen heraus handle (und Jack zb aus dem Drama weitgehend heraus halte), aber ändern lassen sie sich nicht. Ich bin froh, wenn ich spüre, dass gerade meine Angst mir Geschichten erzählt und ich es dann zumindest zum Teil schaffe, stattdessen die Liebe zu mir sprechen zu lassen. Ich denke und hoffe, dass die Zeit helfen wird. Ich denke und hoffe, dass ich mich an manches gewöhne, dass ich spüre, dass meine Angst nicht begründet ist. Ich denke und hoffe, dass es auf Dauer helfen wird, dass ich mich um mich kümmere und Dinge zu tun versuche, die mir gut tun und die mich glücklich machen. Ich denke und hoffe, dass ich wieder so sein werde, wie ich gern wär – okay mit mir und der Welt, zuversichtlich, vertrauend, glücklich und liebend ohne Angst.
Was ist denn Liebe? Sicher kein ständiges ziehen und zerren und wollen und brauchen und Drama und Angst. Liebe muss sich nicht beweisen, Liebe darf einfach da sein und meine Liebe nimmt mir auch niemand je weg. Liebe kann geben und nehmen ohne zu brauchen. Liebe kann frei lassen und trotzdem verbunden sein und Liebe kann sicher sein ohne Sicherheit. Wenn diese wunderbaren Weisheiten endlich wieder ganz für mich spürbar werden, wenn ich sie wieder mit ganzem Herzen und ganzem Geist glauben kann – ich denke, dann wird all das wieder gut.

Bis dahin fühlt sich das hier ein wenig an wie dokumentiertes Versagen. Vielleicht sind es aber auch nur unsichere Schritte auf dem unbekannten Terrain des wieder nach Hause kommens und einer mir so unglaublich wichtigen Verbindung auf große Distanz.

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